GREETINGS FROM ELBJAZZ
Alle reden vom Wetter. Wir nicht. Natürlich nicht. Wir reden von Hamburg. Eine Stadt, die für viele vielleicht überraschend unter dem Titel „Lieblingsorte“ auftaucht. Jedenfalls, wenn ich darüber schreibe. Ja, es stimmt, ich habe mich hier und da schon despektierlich über diese merkwürdig überhebliche Stadt geäußert mit ihrem abenteuerlich überheblichen Erstliga-Fußballverein, der sich mal wieder durchgemogelt hat und unverdientermassen nicht abgestiegen ist, (lieber Heiner!). Aber es gibt (mindestens) zwei Tage im Jahr, da ist diese merkwürdige Stadt tatsächlich einer der coolsen Orte der Welt. Wenn nicht DER coolste!
Die beiden Tage befinden sich seit sechs Jahren am Ende des Monats Mai, ich hoffe, ich schreibe nichts Falsches, wenn ich sie generell auf das letzte Mai-Wochenende datiere. Freitag/Samstag. Dann findet das „Elbjazz“-Festival statt. Der Bogen ist weit gespannt, von lässigem Souljazz bis zu etwas anstrengendem oberlehrerhaften Jeder-gegen-jeden-Freejazz auf locker zehn Bühnen im Hafen verteilt. Und das ist der Extra-Clou: die Location! Man fährt mit der Zubringer-Barkasse vom prämierten Unilever-Haus (Behnisch Architekten), die Hafencity entlang vorbei an der irgendwann mal fertigen Elbphilharmonie (Herzog de Meuron), befindet sich also ganz nebenbei auf einer exklusiven Architektur-Tour, und gelangt auf die Rückseite der Werft Blohm + Voss-, spaziert dort durch eine Montagehalle, vorbei an Schiffen der Marine, die von Baugerüsten umringt sind, wahrscheinlich weil sie einen frischen grauen Anstrich bekommen.
Danach die erste Bühne in einer alten Backsteinhalle, ein paar Schritte weiter zwei Open-Air-Bühnen zwischen riesigen Kränen mitten auf dem Werftgelände. Das ist schon ein Erlebnis. Und immer begleitet von swingenden Jazz-Klängen. Bei Burger, Bratwurst, Bier (Vorsicht, einige „Service“-Kräfte sind leider ganz und gar unzu-rechnungs-fähig, was das Ermitteln der Gesamtsumme von zwei bis drei Getränken angeht), lässt man sich von den entspannten Grooves entführen in eine andere Welt. Das ist das hier tatsächlich: Die US-Sängerin Dee Dee Bridgewater performt mit dem New-Orleans-Trompeter Irving Mayfield und der finnischen Big Band UMO, Pee Wee Ellis, alter Weggefährte von James Brown, funkt mit seinem Saxphon spät in der Nacht, wenn die riesigen giraffenartigen Käne in Pink, Hellblau und Orange angestrahlt sind. Manches wirkt ein wenig komisch, zum Beispiel mitten in der mitgroovenden Menge ein paar Herren mit langstieligen Gläsern Rotwein. Ist halt Jazz
.
Nach Hause kann man zu Fuß gehen durch den Alten Elbtunnel. Immer wieder grandios, auch für Einheimische. Oder man wählt die ganz abgedrehte Variante: Mit dem nachgebauten Missisippi-Raddampfer über die Elbe schippern und drinnen einer nepalesischen (!) Band „Cadenza Collective“ lauschen, die Afro(!)-Funk(!)-Jazz(!) spielt. Aber vom Feinsten(!). Ein in jeder Hinsicht berauschendes und hinreissendes Festival. Wenn nur das Wetter nicht wär. Aber reden wir nicht davon.
Fast erfroren, aber total begeistert grüßt
Jan