Inspektionsreisen durch die Stilwelt

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Medien

Klassiker aus dem Handgelenk

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GREETINGS ANS VISUELLE Der natürliche Feind eines Autoren ist nicht der Textchef oder Chefredakteur, sondern jeder Vertreter des grafischen Gewerbes. Wenn Textproduzenten oder Redakteure manchmal zynisch oder erschöpft wirken, dann hat das mit seiner Art ein Kreativer dieser Zunft getan, die Texte an Stellen kürzer haben will, an denen es inhaltlich unmöglich ist, während sie umgekehrt in Überschriften Füllwörter verlangt, die jeden sprachlichen Rhytmus zerstören, was aber nur jemand merkt, der liest, und das tun diese Menschen (m/w, egal) nicht, wozu auch, sie sind ja Augenmenschen. So, wie wir Merz-Rhetoriker sagen. Diese Wutrede war nötig, denn nur so kann ich meine Überraschung weitergeben, dass es auch mal andersrum sein kann. Für ein neues Special zum 60jährigen Jubiläum von „Architektur und Wohnen“* habe ich gerade ein paar Texte über 60 Design-Ikonen beigesteuert – und war sprachlos, als ich zum erstenmal das grafische Konzept sah: Statt üblicher Freistellerfotos hat die Illustratorin Karin Kellner die Interieurklassiker in einer Technik skizziert, irgendwo zwischen Spontanpaintig und Kalligrafie. Damit gewinnt sie tausendmal gesehenen Objekten neue Ansichten ab, mal durch…

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Erfrischend

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GREETINGS VON DRAUSSEN Aus aktuellem Anlass eine Heftkritik, nein, ein Lob. Lifestylemagazine gibts ja eigentlich nur aus einem Grund: für die ästhetischen Updates. Und ich muss gestehen, dass ich rund ums Design den alljährlichen After-Messe-Reports nicht mehr ganz so entgegenfiebre, entweder man langweilt mich mit endlosen Freisteller-Industriefotos wie aus dem Katalog oder, wenns aufwendiger sein darf, erkenne ich oft vor lauter Originalitätsbemühungen das Produkt nicht mehr. Und bei Badthemen ist das auch nochmal extraschwer. Ich erinnere mich an Kollegen, die bauten Badezimmer in einen LKW ein, um  dann aus ihm heraus, vor Photoshop& Co, in die Landschaft zu fotografieren, als sei es die reale Badfensteraussicht. Die Luxuswanne direkt vor  Dünengräsern ist aber ungefähr so realistisch wie, äääh – wie daß alte Badewannen schon immer als Viehtränke  oder -krippe genutzt wurden. Insofern ist die Idee des SZ-Magazins* (Nr. 22 vom 2. Juni) brillant. Eine Reportage aus der Zukunft. Und zugleich eine Style- und Produktstory. Neidisch werde ich nur, wenn ich mir den Etat dieser Acht-Seiten-Strecke vorstelle. Was allein die Logistik…

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Vom Verschwinden der Medienhäuser

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GREETINGS FROM ABBRUCH. Weg, für immer. Eben noch gefürchtet oder gehasst, blendet einen plötzlich riesiger grauer Hamburg-Himmel, wo jahrzehntelang die Axel-Springer-Zentrale die Strasse verdunkelte; Abbruchbagger in Doppelreihen machen die historischen Druckereihallen platt. Ich wusste das nicht und stiess zufällig darauf. Ein trauriges Bild. Kaiser Wilhelm-Strasse, Warburgstrasse, Baumwall: wieviele Journalistengenerationen haben sich an diese Adressen beworben, alles Geschichte. Der frühere Gruner+Jahr-Bau an der Alster steht heute vergessen wie eine Investitionsruine hinter dem Sicherheitszaun des USA-Konsulats, er war den Verlagsmanagern zu klein. Sein Nachfolger am Baumwall ist ihnen inzwischen zu gross. Die neuen Traum-Bewerbungsadressen sind virtuelle. Historisch-sentimentale Grüsse von ROLF

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Malen nach Zahlen

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GREETINGS FROM GELDSPAREN Die Kollegen der Berliner Home-Redaktion beneide ich schon deshalb, weil sie einen der coolsten Arbeitsplätze Deutschlands am Ufer der Spree haben; müssten sie nicht so viele Hefte füllen, könnten sie lässig aus dem Fenster zuschauen, wie ihre Stadt stündlich hipper und  teurer wird und in der Mittagspause Tretboot fahren. Aber, wie ich sehen muss: es gibt nichts umsonst. Wer so top residiert, muss woanders sparen und das hat die Redaktion jetzt getan, indem sie für ihre jüngste Ausgabe alle gezeichneten Designerportraits offensichtlich auf die Philippinen oder nach Taiwan fern-beauftragt hat. Ist billiger –  und verhilft zu neuen Erkenntnissen. Das macht der fremde Blick, wie wir Feuilletonisten sagen. Jetzt wissen wir: In Design-Playboy Häberli steckt durchaus ein grüblerischer Poet und Grcic arbeitet als Double für Kai Diekmann. Paola Navone ist die Grossmutter vom Kleinen Prinzen, Citterio tritt maskiert als Mainzer Hofsänger auf, Pesce ist unter Pseudonym gerade SPD-Kanzlerkandidat geworden und Altkanzler Schröder heisst in Wirklichkeit Massimo Iosa-Ghini. Das grösste künstlerische Potential…

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Alter weiser Mann

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GREETINGS VON HARALD MARTENSTEIN Nett sein ist auch keine Lösung. So heisst sein neuestes Buch- und er hat mir daraus vorlesen, gestern Abend, für 20 Euro Eintritt, incl. 1 Glas Sekt. Hauptberuflich ist Martenstein Kolumnist (ZEIT, Tagesspiegel), tritt aber in seiner Eigenschaft als Buchautor – seine Bücher bestehen clevererweise aus seinen gesammelten Kolumnen – auch ziemlich oft in Literaturveranstaltungen auf und vermarktet seine Texte damit eigentlich zu drittenmal. Wer hier jetzt etwas Neid herausliest, hat völlig recht, denn das muss man erstmal schaffen. Tauschen möchte ich aber nicht mit ihm, das weiß ich seit gestern Abend. Der Gegen-den-Strich-Denker wirkte auf mich, als nütze sein blitzgescheites Talent zur intelligenten Pointe ihm selbst nicht allzu viel. Trotz langem Applaus am Ende: Er schien mir, im Sinne von melancholisch, fast ein wenig traurig. Als habe er, wie z.B. ein Tänzer für seine Begabung seine Knochen ruiniert,  den meistmöglichen Witz für seinen Beruf verbraucht. Kein gutes Geschäftsmodell! Ernste Grüsse von ROLF

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