Inspektionsreisen durch die Stilwelt

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Rolf - page 11

Rolf has 148 articles published.

Darfs ein bisschen mehr sein?

von
GF_FrauFreundlich

GREETINGS ANS FINANZAMT  Die Restaurantquittung im Bild oben ist beinahe schon ein Sammlerstück. Weniger wegen der Kombination „Bedienung“ und „Freundlich“, die unsere Bildungs-Leser natürlich sofort als rhetorische Figur aus der Celan’schen Schwarze-Milch-Tradition erkennen: Klingt toll, gibts aber in der Realität eher nicht so oft. Aber das Neue ist: Eine Quittung gibts eben auch nicht mehr so oft. Wenn ich bezahlen möchte, höre ich vom Kellner jetzt immer öfter die kryptisch-hypnotischen Laute „zusamodereinzeln unbrauchnsieinerechnung?“. Um mich nicht als kleingeistig zu outen, sage ich dann eingeschüchtert meist Nein, nein… Manchmal bekomme ich dann für Millisekunden noch soetwas wie eine Aufstellung der Speisen und Getränke vor die Nase gehalten, auf Papier oder auf einem kleinen handygrossen Tablet. Immer öfter stösst der Kellner aber auch nur noch eine Ziffer hervor. Die, wenn man nicht wie beim Skatspielen von Anfang an bei jedem Posten im Geiste mitgezählt hat, gerne um zehn bis zwanzig Prozent über dem liegt, was man so ungefähr erwartet hat. Dazu gibts einen…

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Alter weiser Mann

von
GF_Martenstein

GREETINGS VON HARALD MARTENSTEIN Nett sein ist auch keine Lösung. So heisst sein neuestes Buch- und er hat mir daraus vorlesen, gestern Abend, für 20 Euro Eintritt, incl. 1 Glas Sekt. Hauptberuflich ist Martenstein Kolumnist (ZEIT, Tagesspiegel), tritt aber in seiner Eigenschaft als Buchautor – seine Bücher bestehen clevererweise aus seinen gesammelten Kolumnen – auch ziemlich oft in Literaturveranstaltungen auf und vermarktet seine Texte damit eigentlich zu drittenmal. Wer hier jetzt etwas Neid herausliest, hat völlig recht, denn das muss man erstmal schaffen. Tauschen möchte ich aber nicht mit ihm, das weiß ich seit gestern Abend. Der Gegen-den-Strich-Denker wirkte auf mich, als nütze sein blitzgescheites Talent zur intelligenten Pointe ihm selbst nicht allzu viel. Trotz langem Applaus am Ende: Er schien mir, im Sinne von melancholisch, fast ein wenig traurig. Als habe er, wie z.B. ein Tänzer für seine Begabung seine Knochen ruiniert,  den meistmöglichen Witz für seinen Beruf verbraucht. Kein gutes Geschäftsmodell! Ernste Grüsse von ROLF

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Hamburg-Berlin Eins zu Null

von
GF_ZOB9

GREETINGS NACH HAMBURG Lieber Stylefreund Jan, erinnerst Du Dich, wie wir bei unserer letzten Greetings-From-Autorenversammlung versucht haben, die Liste der neueren architektonischen Hamburger Highlights zu ordnen? Und wir sehr schnell in eine Art stotterndes Schweigen kamen,  aus dem uns selbst unser Helmut-Schmidt-ähnlich verehrter Lebenskunst- und Bausachverständige Heiner nicht mehr heraushelfen konnte? Oft sieht man ja aber Dinge nicht, weil man zu nahe dran ist. Und ich glaube, eines der unverdient von den Hamburgern übersehenen neueren Bauten ist der ZOB (Zentraler Omnibus Bahnhof) schräg hinterm Hauptbahnhof. Klar, ist eine andere Klientel und eine andere Richtung als die so ärgerlich immer so verstopfte Autobahn nach Sylt. Aber gestalterisch First-Class und für Euch Hamburger unüblich mal weder von GMP noch von Teherani, sondern vom mir bis dahin unbekannten Büro ASW Architekten. Gegen Eure  300 qm-Glasdachsichel auf theatralischen elf Meter (vielleicht etwas zu) hohen Säulen sieht der Berliner ZOB aus wie die Fahrbereitschaft eines östlichen in die Jahre gekommenen Flatrate-Bordells. Im Hamburg-Berlin Vergleich also erstmal ein verdientes und eindeutiges…

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Bildungsburger

von
GF_Bauhausburger

GREETINGS VOM GRILL Ach, wie erfrischend. Ganze Juristengenerationen der 30er und der 50er Jahre prozessierten gegeneinander, wer und was sich Bauhaus-Design nennen darf (es lohnte sich, vor allem wegen der Stahlrohrmöbel-Lizenzen). Und jetzt steht hier in der Dessauer Bauhaus-Cafeteria ganz lässig auf der Menütafel:  „Bauhausburger 5.20“. Nichts sonst. Ein schönes Rätsel, mit dem man eine Designklasse eine Woche beschäftigen könnte. Und das mir jetzt die Wartezeit überbrückt: Kommt was einen so großen Namen trägt in Rot-Gelb-Blau? Als Dreieck-Quadrat-Kreis-Turm ? Oder in der frühen Johannes-Ippen-Linie strikt  vegetarisch? Nichts davon:   herübergeschoben wird  nach zehn Minuten eine kräftige Bulette mit Alibi-Rukola-Ranke im kugelhohen barbecuesoßensatten Roggenbrötchen. Sehr lecker, sehr theoriefern. Allenfalls vielleicht auch ein bisschen unpraktisch. Am Ende sieht mein Teller aus wie von Kadinsky getröpfelt. Kunst im Alltag! Passt doch. Lecker Grüsse sendet ROLF PS. Demnächst in unserer Ratgeber-Reihe: Der fieseste Burger der Welt.    

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Bauhaus für alle

von
GF_Bauhaussiedlung6

GREETINGS AUS DER MUSTERSIEDLUNG. Zwölf Uhr mittags, vielleicht auch halb eins, kein Mensch auf der Strasse. Nicht mal Japaner, die sonst hier mir ihren Architekturführern entlangtrotten, Stichwort „Bauhaussiedlung Dessau-Törten“. Gropius versuchte hier in den Zwanziger Jahren, erstmals Ideen aus der amerikanischen Ford-Fliessband-Produktion beim Hausbau einzusetzen: vor Ort gegossene Stahlbetonbalken und ein auf Schienen weiterlaufender Baukran schafften so 133 Häuser in 88 Tagen. Eine Hauseinheit  also rechnerisch in weniger als einem Tag. Das war Rekord – aber auch Grund für massive Baumängel. Den Ruf macht bis heute aber ohnehin eher die Gestaltung und die Philosophie aus: weissgeschlämmte Fassaden, Flachdächer,  Splitlevel, stahlgefasste Fensterbänder unter der Decke – man brauchte keine Gardinen, konnte aber im Sitzen nicht den Himmel sehen; zur billigen Hypothek spendierte die Stadt Dessau zusätzlich ein Schwein pro Hauseinheit  für den riesigen Selbstverorgungsgarten. Bestes sozialdemokratisches Allen-Soll-Es-Besser-Gehen und Mit-Uns-Zieht-Die-Neue-Zeit. Allzuviel Zeit aber war beidem nicht vergönnt. Die Nazis hassten die Flachdachmoderne, die DDR-Sozialisten das Individuelle. Und heute? Fasziniert die Anlage noch immer, trotz vieler scheusslicher Umbauten. Eine eigenartige…

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