GREETINGS VOM KUDAMM Wo anfangen? An der Gedächtniskirche, die gerade mit zwei flankierenden Skycrapern als Deutschlands Time-Square neu inszeniert wird? Oder noch vorher, wie einige Geschäftsleute wollen und ihre nicht ganz so merkfähige Strasse „Tauentzien“ bis zurück zum KADEWE ebenfalls gerne „Kurfürstendamm“ nennen würden? Politisch abgelehnt. Noch. Obwohl es hinterm Hauptbahnhof doch schon einen Präzedenzfall gibt, in dem hunderte Immobilien, die im Bebauungsplan am öden „Spandauer Schifffahrtskanal“ projektiert wurden, sich jetzt mit „Spree“-Adresse vermarkten dürfen – allein durch die schlichte Umbenennung der Wasserrinne. Der Ku’damm also, immer schon war er Spekulationsadresse, Vorbild war der Pariser Champs d’Elysées und am Anfang stand ein ziemlich cleverer Deal, den Bismarck eingefädelt hatte: Ein Deutsche-Bank-Konsortium finanzierte den Ausbau des Boulevards und bekam dafür die Lizenz zur Gründung der Villenkolonie Grunewald. Der Kurfürstendamm kannte eigentlich nur Hochkonjunktur, bis passierte, womit wohl niemand mehr gerechnet hatte: Mauerfall, Wiedervereinigung – und plötzlich wollte alle Welt -und also auch alles Geld- nach Ost-Berlin, das sich wieder Mitte nennen durfte. Fast zwanzig Jahre lang galt der Kurfürstendamm deshalb als „sterbend“, Luxuslabels zogen weg, Kinos, Hotels und Restaurants schlossen, dafür kamen Billigläden und Spielotheken.
Und jetzt wieder alles retour – unterstützt durch milliardenschwere Großumbauprojekte. Nicht ganz risikofrei, wenn man sich die Tristesse des Europacenters anschaut oder sieht, wie der Bikini-Komplex ein Jahr nach Wiedereröffnung Schwierigkeiten hat, sein ambitioniertes Niveau zu halten und das mit immer mehr Pop-Up-Stores tarnt. Dabei gehts jetzt erst richtig los. Der erste Block hinter der Gedächtniskirche, Karstadt bis Joachimsthaleter Strasse, soll eine Mall werden. Ebenso der Kranzler-Komplex schräg gegenüber. Und was plant das Wirtschaftswunder-Kempinski-Hotel – eine Passagenöffnung in seinen Hof. Gegenüber aber das riesige Ku’damm-Karree soll nach Umbauplänen von Jan Kleihues in Zukunft eher den edlen Münchener 5 Höfen ähneln. Bis dahin testet hier Amazon seine Berliner Same-Day-Logistik. Die spektakulärste Neu-Architektur am Ku’damm findet man, wenn und wo es niemand mehr erwartet – an seinem Ende. Ein Museum? Nein, ein Baumarkt. Mit ein bisschen Berliner Chuzpe bewirbt er sich noch zum grossen Bauhaus-Jubiläum 2019. Flaniergrüsse sendet ROLF