Inspektionsreisen durch die Stilwelt

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Glaubenskrieg

von

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GREETINGS AUS DER UNTERWELT

Ausnahmsweise mal keine Frage des Stils. Ganz im Gegenteil. Seit Wochen geistert dieser irre Mob durch die Straßen, vorwiegend natürlich durch die Straßen Dresdens (diese schöne Stadt hat solche Menschen eigentlich nicht verdient). „Pegida“ nennen sie sich. Das dämliche Akronym deutet ja schon auf eine gehörige Beschränktheit hin. (Was bedeutet es noch? Potzblitz! Engstirnige Geistesgestörte in Dresdens Altstadt?) Es gibt Ableger in Bonn („Bogida“) und Kassel („Kagida“). Angeführt und angestiftet von ehemaligen oder Noch-Nazis und gescheiterten drittklassigen Möchtegern-Medienmitarbeitern. Sie nennen sich Patrioten, also Vaterlandslieber, aber sie beschmutzen und verunglimpfen es auf niederträchtigste. Das freundliche Image, das Deutschland sich nach der charmanten Heim-WM 2006 weltweit erworben hat, wird durch solche Pöbeldemos bald aufgebraucht sein. Sie nennen sich Europäer, aber sie sind engstirnige, armselige Hinterwäldler, ja leider vorwiegend Sachsen. (Ich kann auch nichts dafür, wenn Vorurteile immer so eindrucksvoll bestätigt werden.) Sie kämpfen gegen „Glaubenskriege“ auf abendländischem, respektive deutschem Boden, dabei führen sie in Wahrheit den vielleicht einzigen Glaubenskrieg, den es jemals gab. Alle früheren sogenannten Glaubenskriege haben den Glauben nur vorgeschoben, als Mittel zum Zweck, zur Mobilmachung, zur offiziellen Rechtfertigung eigentlich rein macht- und wirtschaftspolitischer Interessen. Und je länger sie so dumpf dahermaschieren, desto mehr entlarven sie sich. Sie wollen hauptsächlich keine Flüchtlinge aufnehmen, weil sie materielle Einbußen befürchten. Ein wahrlich christlicher Standpunkt, passend zur Weihnachtszeit.

Hier haben wir es leider mit einer Horde von Ahnungslosen zu tun (Tal der Ahnungslosen hieß die Gegend um Dresden ja schon zu DDR-Zeiten, geändert hat sich das offensichtlich nicht, obwohl der Fernsehempfang heute deutlich besser sein soll). Sie glauben, dass die Mainstream-Presse nicht die Wahrheit schreibt, und sie glauben sich ihre Wahrheit selbst zusammen und sie blöken im Chor. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür, das Glauben das Gegenteil von Wissen ist.

Ich habe auch in manchen Fällen meine Probleme mit einer anscheinend gleichgeschalteten Presse, die sich offenbar widerstandslos herrschender Meinung anschließt, aber im Moment bin ich ganz beruhigt. Denn die mainstreamigen Kollegen machen offensichtlich ihren Job und entlarven die Protagonisten dieser unsäglichen Bewegung als das was sie sind – hetzerische Wichtigtuer. Man muss sie sich nur anschauen. Nur eins ist den Pressevertretern durch die Lappen gegangen: Dass der merkwürdige Minister des Inneren neulich in bewährter populistischer Manier, als noch nicht sicher war, wohin das Pendel ausschlägt, mal sicherheitshalber sein Verständnis für diese absurden „Das-Boot-ist-voll“-Parolen-Brüller geäußert hat. Geht´s noch? Wenn das Boot zu voll ist, dann mit denen. Von mir aus sollen sie in der Hölle schmoren.

Erboste Grüße von

Jan

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