GREETINGS FROM GATWICK
Der Fachbegriff „Runway“ hat, wenn man das Pech hat, in London-Gatwick abzufliegen, noch eine andere Bedeutung, als man sie aus der Sprache der Fliegerei üblicherweise kennt. Gemeint ist damit in diesem Fall nicht die Start- oder Landebahn. Oder nicht nur. Hier handelt es sich vor allem um eine Art Pre-Startbahn. Natürlich ist das nicht der offizielle Begriff. Aber wie soll man es sonst nennen, wenn für einen Flug, der um, sagen wir mal 19.00 das Gate schliesst, in der zentralen (sehr überfüllten Halle des Terminals um 19.10 (frühestens) das Gate bekannt gegeben wird? Es ist dann jedesmal ein erschütterndes Schauspiel, wie Alte, Gebrechliche, Mütter mit Kleinkindern das Letzte aus sich herauszuholen und humpelnd, stolpernd, drängelnd und schupsend verzweifelt versuchen, das Gate zu erreichen. Die, die noch gut zu Fuss sind drängeln und schupsen natürlich am meisten. Alle miteinander sind ohnehin am Rande des Wahnsinns, weil die Rolltreppe, die zur einzigen, ebenfalls hoffnungslos überfüllten Bar führt, in unregelmässigen Abständen, aber sehr häufig, Quietsch- und Schleifgeräusche von sich gibt, die sich etwa so anhören wie das letzte herzerweichende Röcheln von dem Wookiee Chewbacca, Han Solos pelzigem Co-Piloten aus „Star Wars“.
Richtig gemein wird es aber erst am Gate. Jedenfalls bei der Fluglinie, die sich aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen den Namen „Easy Jet“ ausgesucht hat. Am Gate also passiert erstmal Folgendes: nichts. Die Bodencrew oder das Flugzeug oder beides ist nämlich noch nicht bereit. Oder noch nicht da. Oder beides. Dann beginnt das ebenfalls unverständlicher weise sogenannte „speedy boarding“, bei dem Mehrzahler zuerst durch die Bordkartenkontrolle dürfen – um vor der nächsten verschlossenen Tür zu stehen, wo sie sich langsam mit Wenigerzahlern wieder vereinigen. Irgendwann geht aber auch diese Tür auf, die Menge sprintet durch den Tunnel dem Ziel entgegen und wird wieder jäh gestoppt. Diesmal ca. fünf Meter vor der Flugzeugtür. Gehört man zu den Führenden dieses Wettlaufs, kann man sehen warum: Es werden jetzt gerade die Müllsäcke vom Hinflug entsorgt.
Dass das ohnehin schon sehr verspätete Flugzeug noch in der Schlange auf den Start warten muss, könnte man ja schadenfroh aus ausgleichende Gerechtigkeit ansehen, wenn man nicht selbst drin sitzen und mitwarten müsste.
Zu dem höchstwahrscheinlich intern als „speedy bordservice“ bezeichneten Getränkeausschank (natürlich gegen Bezahlung ohne Wechselgeld zu haben) sage ich jetzt nichts mehr.
Ach doch, weil sie es überraschender weise bis zu meiner Sitzreihe geschafft haben. Ich bestelle also ein Wasser und quasi als Belohnung für die Tortur einen Gin Tonic. Es stellt sich leider eher als Strafe denn als Belohnung heraus: Beides leider nur noch warm zu haben, keine oder fast keine Eiswürfel mehr an Bord. Begründung: Es sei spät Abends, ihr letzter Flug, deshalb haben sie keine Eiswürfel mehr. Die werden wohl nur morgens geladen und dann schmelzen sie in Ruhe vor sich hin. Das kann ja im Umkehrschluss nur bedeuten, dass man bei Easy Jet einen Gin Tonic am besten während des Frühfluges bestellt. Wenn es noch Eis gibt. Dass der mobile Kassenautomat für dieses Debakel einen überhöhten Preis berechnet hat und die Stewardess überfordert war, den Differenzbetrag zu berechnen, ebenfalls nicht in der Lage sind, nach meiner gütigen Mithilfe diesbezüglich mein Ergebnis zu bestätigen, will ich jetzt aber wirklich nicht weiter ausführen.
Ein ganz klitzekleines bisschen genervte Grüsse besonders auch an die Damen und Herren der erwähnten Fluglinie sendet
Jan
Jeder, der schon einmal mit dieser Airline geflogen ist, kann schmunzelnd nachempfinden. Sehr amüsanter Beitrag!
Glückwunsch zum 100. Blog-Beitrag. Weiter so!