Inspektionsreisen durch die Stilwelt

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Bauhaus

100 Jahre Einfachheit – und ein verdrängtes Ornament-Verbrechen

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GF_Entstuckung8

  GREETINGS FROM STUCK Was für eine Erfolgsgeschichte! Man wird sie bald überall lesen können, wenn auch wohl nicht komplett. Würde man nämlich das bevorstehende 100 jährige Bauhaus-Jubiläum (1919-2019) medial ähnlich gross als Serie aufbereiten wie wir es von SpiegelSternZeit zu 100 Jahre Kriegsanfang, 100 Jahre Kriegsende, 100 Jahre Machtergreifung, 100 Jahre RAF etc. gewohnt sind, könnte man also die Erfindung der Moderne nochmal ausführlich nacherleben, den langen Weg vom überladenen Kitsch-Plüsch-Historismus zur strahlend weissen Bauhaus-Stringenz, die heute unser Leitbild  ist – man stieße auch auf eine verdrängte, dunkele, traurige Seite:  die sogenannte Entstuckung. Dafür wurden, beginnend in den 20er- aber bis weit in die 60er Jahre, von Gründerzeitfassaden schmückende Säulen, Friese und Türmchen abgeschlagen, um die Häuser moderner wirken zu lassen – zu den Propagandisten gehörten Helden der Moderne wie Erich Mendelsohn oder Peter Behrens. In Berlin Kreuzberg oder Charlottenburg gibt es Altbaustrassen, in denen jedes zweite Haus entstuckt wurde. Ich habe das lange nicht gewusst und hielt manche Schlicht-Putzfassade für…

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Bildungsburger

von
GF_Bauhausburger

GREETINGS VOM GRILL Ach, wie erfrischend. Ganze Juristengenerationen der 30er und der 50er Jahre prozessierten gegeneinander, wer und was sich Bauhaus-Design nennen darf (es lohnte sich, vor allem wegen der Stahlrohrmöbel-Lizenzen). Und jetzt steht hier in der Dessauer Bauhaus-Cafeteria ganz lässig auf der Menütafel:  „Bauhausburger 5.20“. Nichts sonst. Ein schönes Rätsel, mit dem man eine Designklasse eine Woche beschäftigen könnte. Und das mir jetzt die Wartezeit überbrückt: Kommt was einen so großen Namen trägt in Rot-Gelb-Blau? Als Dreieck-Quadrat-Kreis-Turm ? Oder in der frühen Johannes-Ippen-Linie strikt  vegetarisch? Nichts davon:   herübergeschoben wird  nach zehn Minuten eine kräftige Bulette mit Alibi-Rukola-Ranke im kugelhohen barbecuesoßensatten Roggenbrötchen. Sehr lecker, sehr theoriefern. Allenfalls vielleicht auch ein bisschen unpraktisch. Am Ende sieht mein Teller aus wie von Kadinsky getröpfelt. Kunst im Alltag! Passt doch. Lecker Grüsse sendet ROLF PS. Demnächst in unserer Ratgeber-Reihe: Der fieseste Burger der Welt.    

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Bauhaus für alle

von
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GREETINGS AUS DER MUSTERSIEDLUNG. Zwölf Uhr mittags, vielleicht auch halb eins, kein Mensch auf der Strasse. Nicht mal Japaner, die sonst hier mir ihren Architekturführern entlangtrotten, Stichwort „Bauhaussiedlung Dessau-Törten“. Gropius versuchte hier in den Zwanziger Jahren, erstmals Ideen aus der amerikanischen Ford-Fliessband-Produktion beim Hausbau einzusetzen: vor Ort gegossene Stahlbetonbalken und ein auf Schienen weiterlaufender Baukran schafften so 133 Häuser in 88 Tagen. Eine Hauseinheit  also rechnerisch in weniger als einem Tag. Das war Rekord – aber auch Grund für massive Baumängel. Den Ruf macht bis heute aber ohnehin eher die Gestaltung und die Philosophie aus: weissgeschlämmte Fassaden, Flachdächer,  Splitlevel, stahlgefasste Fensterbänder unter der Decke – man brauchte keine Gardinen, konnte aber im Sitzen nicht den Himmel sehen; zur billigen Hypothek spendierte die Stadt Dessau zusätzlich ein Schwein pro Hauseinheit  für den riesigen Selbstverorgungsgarten. Bestes sozialdemokratisches Allen-Soll-Es-Besser-Gehen und Mit-Uns-Zieht-Die-Neue-Zeit. Allzuviel Zeit aber war beidem nicht vergönnt. Die Nazis hassten die Flachdachmoderne, die DDR-Sozialisten das Individuelle. Und heute? Fasziniert die Anlage noch immer, trotz vieler scheusslicher Umbauten. Eine eigenartige…

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Das Geld kommt zurück

von
GF_Kudamm_Kranzler

  GREETINGS VOM KUDAMM Wo anfangen? An der Gedächtniskirche, die gerade mit zwei flankierenden Skycrapern als Deutschlands Time-Square neu inszeniert wird? Oder noch vorher, wie einige Geschäftsleute wollen und ihre nicht ganz so merkfähige Strasse „Tauentzien“ bis zurück zum KADEWE ebenfalls gerne „Kurfürstendamm“ nennen würden? Politisch abgelehnt. Noch. Obwohl es hinterm Hauptbahnhof doch schon einen Präzedenzfall gibt, in dem hunderte Immobilien, die im Bebauungsplan am öden „Spandauer Schifffahrtskanal“ projektiert wurden, sich jetzt mit „Spree“-Adresse vermarkten dürfen – allein durch die schlichte Umbenennung der Wasserrinne. Der Ku’damm also, immer schon war er Spekulationsadresse, Vorbild war der Pariser Champs d’Elysées und am Anfang stand ein ziemlich cleverer Deal, den Bismarck eingefädelt hatte: Ein Deutsche-Bank-Konsortium finanzierte den Ausbau des Boulevards und bekam dafür die Lizenz zur Gründung der Villenkolonie Grunewald. Der Kurfürstendamm kannte eigentlich nur Hochkonjunktur, bis passierte, womit wohl niemand mehr gerechnet hatte: Mauerfall, Wiedervereinigung – und plötzlich wollte alle Welt -und also auch alles Geld- nach Ost-Berlin, das sich wieder Mitte nennen durfte.…

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