Inspektionsreisen durch die Stilwelt

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Carbonara ohne Ei

von

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GREETINGS FROM ROM

Lieber Rolf,

wie ich ja gern behaupte und Dir immer mal wieder zu beweisen versuche, schmeckt eigentlich alles, was man selbst kocht, brät, backt, und fritiert besser als im Restaurant. Es gibt eine sichere Ausnahme: Pasta. Natürlich nicht, wenn man sich mit dem Italiener an der Ecke misst. Die Qualität kriegt man locker hin. Aber Pasta in Italien – das ist unerreichbar. Keine Ahnung, warum das so ist, aber ich nehme es als einen besonderen von vielen guten Gründen immer wieder gern in dieses gelobte Land zu reisen. Wahrscheinlich ist eines der Geheimnisse die Liebe zum Essen. Dann allerdings müsste es mir ebenso gelingen. Wie auch immer, ich freue mich jedenfalls immer wieder auf den erneuten Beweis, dass Nudeln glücklich machen und auf regionale Entdeckungen. Dabei habe ich im Laufe der Jahre eine gewisse Vorliebe für die römische Küche entwickelt. Mit dazu beigetragen hat eine Pasta, die in ihrer Simplizität fast nicht zu schlagen ist. In ihrer Wirkung, sprich Geschmack und Glücklichkeitsfaktor erst recht nicht.

Ich sitze mit meiner italienischen Kollegin Cecilia, der Korrespondentin des Magazins, für das ich in Deutschland tätig bin, in einer römischen Osteria. Obwohl ich mich mit der italienischen Küche auszukennen glaube, streifen meine Blicke etwas ratlos über die Karte. Vieles ist hier anders, unbekannt. Bis besagte Kollegin mir einen Schnellkurs in römischer Gastronomie gibt. Erstens lerne ich, dass man möglichst nichts unkommentiert aus dem Angebot der Karte bestellt, sondern gern diskutierend eine Besonderheit erwünscht. Das findet der römische Patron nicht nervig. Im Gegenteil, erst dann wird man als Gast ernst genommen. Das fängt schon beim caffè an. Beziehungsweise beim Essen hört es damit auf.

Und zweitens empfielt sie mir eine Pasta mit der im ersten Moment absurden Beschreibung “ eine carbonara ohne Ei“. Das klingt nach versteckter Kamera. Aber ist ihr Ernst. Es ist quasi die Grundessenz, die Basis der römischen Pasta-Kunst, genannt pasta gricia („grie-tscha“). Man braucht: Topf und Pfanne, Wasser, Salz, Spaghetti, Speck, Pecorino, Pfeffer. Und sie geht so: Speck anbraten, gern pancetta („pann-tschetta“), die spaghetti kochen (übrigens möglichst ohne sch ausgesprochen) und in die Speckpfanne rühren. pecorino drüber reiben und gern frisch gemahlenen Pfeffer. Das! war! es! schon! Es ist umwerfend. Einfach genial. Und tatsächlich die Basis. Mit Ei ist es eine carbonara, mit Tomate (und Zwiebel und peperoncino) eine amatriciana („a-ma-tri-tschana“), zwei Klassiker der römischen Küche. Aber die gricia ist die Erfüllung.

Buon apetito wünscht

Jan

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