GREETINGS VOM MAUERBAU Ein junges Paar tanzt temperamentvoll vor einer Mauer. Ein Amerikaner in Paris? West-Side-Story? Nein, der DDR/Defa-Film „Revue um Mitternacht“. Heute zurecht vergessen, zu mir kam er nochmal als Werbebeilage der „Super-Illu“, die ihren Lesern ab und und zu einen nostalgischen Ost-Film spendiert. Für arrogante (also meine) Westaugen ist der Film ein fast rührend bemühter Versuch, Weltniveau irgendwie auf deutsche Art nachzuspielen. Artur Brauners CCC-Studios haben das gleichzeitig einige Kilometer weiter westlich in alten Gaswerkhallen bei Spandau ähnlich gemacht; da hiessen die Filme dann „Und abends in die Scala“ oder „Liebe, Tanz und 1000 Schlager“
„Revue um Mitternacht“ erschien 1962, gedreht auf Agfa-Film aus Wolfen in Breitwand-Totalvison und mit einem so jung noch nie gesehenen Manfred Krug. Das interessante aber, was in keiner Filmkritik steht, habe ich jetzt nur zufällig entdeckt: Teile der Tanzszenen und auch das Happy End spielen vor einer gemalten Grossstadtkulisse, die eindeutig anders aussieht als sonst. Der Platz endet nicht an Häusern, sondern vor einer langen grauen Mauer. Sowas gabs auf der ganzen Welt nicht – ausser in Ostberlin seit dem Sommer vor den Dreharbeiten, dem Mauerbau im August 1961. Filmpropaganda erster Klasse also: Wie unbeschwert lässt sichs doch hinter einem Schutzwall leben! Genützt hat es, wie man heute weiss, nichts. Aber, wie man heute sagt: Netter Versuch!
Grüsse aus dem Westen sendet ROLF