GREETINGS VON DER ENDSTATION Nach langer Zeit mal wieder Grüsse aus Hamburg. Und die werden vor allem unsere vielen Leser im Süden interessieren. Speziell Stuttgart könnte von Hamburg viel lernen, ganz besonders: wie man das macht, wenn man einen Bahnhof untertunneln und mit den Gleisflächen noch ein kleines Zusatzgeschäft machen will. Lehrbuchobjekt ist der Bahnhof Hamburg-Altona, einst stolze Endstation jedes Süd-Nord-Zuges; wer von hier noch weiter wollte, für den gings eigentlich nur noch mit dem Schnelldampfer nach New York oder mit einem Regionalzug gefühlte endlose sechs Stunden zum Reet-Hideaway nach Sylt.
Genug geplaudert, wir sind hier nicht im Feuilleton, sondern im Lehrbuch für Bahnhöfe-Verschwinden-Lassen, Kapitel Moderne Verkaufspsychologie. Was man in Hamburg nämlich anders gemacht hat als in Stuttgart: Man hat erstmal den Bahnhof für eine S-Bahn untertunnelt. Dann hat man gesagt, der alte Backsteinbahnhof, 1898 gebaut für tonnenschwere Dampfloks, vertrage diese modernen leichten Aluminium-S-Bahnen statisch nicht mehr so recht – und hat ihn 1979 sozusagen vorbeugend abgerissen. Wutbürger gab es damals noch nicht, und wer wollte auch schon wütend sein, wenn man statt einer grossen Bahnhofshalle ein tolles betonfarben-gekacheltes Shoppingcenter bekommt. Seitdem musste man jahrzehntelang auf Fragen wo der Bahnhof in Altona sei, ehrlicherweise antworten: im Kaufhaus. Und wer den Zug nach München suchte, der bekam zu hören: Nehmen Sie jeden Eingang, den Sie finden können, suchen Sie dann die Media-Markt-Rolltreppe und biegen danach einmal rechts und einmal links ab. Bisher.
Denn die dritte Stufe wurde nun letzte Woche bekannt: Die Bahn will in Zukunft von Altona gar keine Fernzüge mehr starten lassen (Argument, Stuttgarter kennen das schon: Alter Sackbahnhof, es geht um wertvolle Minuten!). Grosszügigerweise will man das über die Jahrzehnte ölgetränkte riesige Gleisfeld an die Stadt für Wohnungsbau verkaufen. Was ja schon mal besser ist, als für nochmal neue viele Bürohäuser. So weit, so Verkehrs- und Stadtplanung.
Der Clou aber (und der Anlass für diesen Gruss) ist jetzt, mit wieviel Chuzpe man daraus auch nochmal was Positives für den Bahnkunden zaubert. Wer heute zwischen- S- und Fernbahn seinen Weg sucht und nochmal neue riesige Bauarbeiten umwandern muss, stösst auf optimistische Unser-Bahnhof-Soll-Noch-Schöner-werden-Plakate. Darauf wird dann ausgerechnet mit jenen aus Versehen noch stehengebliebenen Gründerzeitbahnhöfen geworben, wie der Altonaer Fernbahnhof auch mal einer war, vor der letzten cleveren Modernisierungsmassnahme… Senk Yu Vor Enterpreising, Deutsche Bahn.
Grüsse – ohne Verständnis – sendet ROLF