GREETINGS VON DER SCHLANGE Alle wollten das Beste, aber leider, leider hat’s nicht geklappt. Nachdem 1989 die Mauer fiel, war die 400 meter lange „Nutheschlange“ das erste westliche Immobilienprojekt in Berlins wiedergewonnem Umland. Ein Wohnriegel in Potsdam-Babelsberg, wie man ihn in der DDR-, aber auch in Westberlin noch nie gesehen hatte. Kein Plattenbau (weder östlicher noch westlicher Tradition – wenn man ehrlich ist, unterscheiden sich ja manche 70er und 80er Westgrosssiedlungen sowie kaum von ihren tristen VEB-Brüdern), sondern eine extrem individualistische Zusammenfügung von allem, was Geometrie- und Grafik-Baukasten hergeben: Vorsprünge und Ausbuchtungen, geschwungene Dächer, verglaste Übergänge.
Architekt war der Westberliner Hinrich Baller, der entlang einer Schnellstrasse eine Phantasielandschaft modellierte aus Reihen-Hochhaus, eingeschobenen Hügeln, Terrassengärten, Laubengängen, begrünten Parkhauskellern und über einen künstlichen Bach hochgestelzten Einzelhäusern. Sowas gab’s noch nie und alle staunten: So schön, so menschenfreundlich kann der Westen bauen? Wohl leider doch nicht, wie sich heute zeigt, denn das Prestige-Projekt aus der ersten Wendeeuphorie entwickelt sich für den Inhaber, die kommunale Wohnungsgesellschaft, zu einem teuren Pflegefall. Decken sind durchnässt, Bewehrungen gerostet, Fernster verfault. Manche spotten anthropologisch-konsequent schon von einer „Tropfsteinhöhle“, denn grösster Sorgenfall sind die Abdichtungen an Dächern und Terrassen. Längst gibt es rund um Baupfusch, Haftung und Urheberrecht Prozesse und Gegenprozesse zwischen Architekt, Handwerksfirmen und Versicherungen, es geht um Sanierungkosten von über 10 Millionen. Besonders teuer wird’s durch das, was doch das Besondere sein sollte: die individuellen Zuschnitte.
Teure Grüsse sendet ROLF