Inspektionsreisen durch die Stilwelt

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Architektur - page 4

Hamburg-Berlin Eins zu Null

von
GF_ZOB9

GREETINGS NACH HAMBURG Lieber Stylefreund Jan, erinnerst Du Dich, wie wir bei unserer letzten Greetings-From-Autorenversammlung versucht haben, die Liste der neueren architektonischen Hamburger Highlights zu ordnen? Und wir sehr schnell in eine Art stotterndes Schweigen kamen,  aus dem uns selbst unser Helmut-Schmidt-ähnlich verehrter Lebenskunst- und Bausachverständige Heiner nicht mehr heraushelfen konnte? Oft sieht man ja aber Dinge nicht, weil man zu nahe dran ist. Und ich glaube, eines der unverdient von den Hamburgern übersehenen neueren Bauten ist der ZOB (Zentraler Omnibus Bahnhof) schräg hinterm Hauptbahnhof. Klar, ist eine andere Klientel und eine andere Richtung als die so ärgerlich immer so verstopfte Autobahn nach Sylt. Aber gestalterisch First-Class und für Euch Hamburger unüblich mal weder von GMP noch von Teherani, sondern vom mir bis dahin unbekannten Büro ASW Architekten. Gegen Eure  300 qm-Glasdachsichel auf theatralischen elf Meter (vielleicht etwas zu) hohen Säulen sieht der Berliner ZOB aus wie die Fahrbereitschaft eines östlichen in die Jahre gekommenen Flatrate-Bordells. Im Hamburg-Berlin Vergleich also erstmal ein verdientes und eindeutiges…

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Bauhaus für alle

von
GF_Bauhaussiedlung6

GREETINGS AUS DER MUSTERSIEDLUNG. Zwölf Uhr mittags, vielleicht auch halb eins, kein Mensch auf der Strasse. Nicht mal Japaner, die sonst hier mir ihren Architekturführern entlangtrotten, Stichwort „Bauhaussiedlung Dessau-Törten“. Gropius versuchte hier in den Zwanziger Jahren, erstmals Ideen aus der amerikanischen Ford-Fliessband-Produktion beim Hausbau einzusetzen: vor Ort gegossene Stahlbetonbalken und ein auf Schienen weiterlaufender Baukran schafften so 133 Häuser in 88 Tagen. Eine Hauseinheit  also rechnerisch in weniger als einem Tag. Das war Rekord – aber auch Grund für massive Baumängel. Den Ruf macht bis heute aber ohnehin eher die Gestaltung und die Philosophie aus: weissgeschlämmte Fassaden, Flachdächer,  Splitlevel, stahlgefasste Fensterbänder unter der Decke – man brauchte keine Gardinen, konnte aber im Sitzen nicht den Himmel sehen; zur billigen Hypothek spendierte die Stadt Dessau zusätzlich ein Schwein pro Hauseinheit  für den riesigen Selbstverorgungsgarten. Bestes sozialdemokratisches Allen-Soll-Es-Besser-Gehen und Mit-Uns-Zieht-Die-Neue-Zeit. Allzuviel Zeit aber war beidem nicht vergönnt. Die Nazis hassten die Flachdachmoderne, die DDR-Sozialisten das Individuelle. Und heute? Fasziniert die Anlage noch immer, trotz vieler scheusslicher Umbauten. Eine eigenartige…

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Das Geld kommt zurück

von
GF_Kudamm_Kranzler

  GREETINGS VOM KUDAMM Wo anfangen? An der Gedächtniskirche, die gerade mit zwei flankierenden Skycrapern als Deutschlands Time-Square neu inszeniert wird? Oder noch vorher, wie einige Geschäftsleute wollen und ihre nicht ganz so merkfähige Strasse „Tauentzien“ bis zurück zum KADEWE ebenfalls gerne „Kurfürstendamm“ nennen würden? Politisch abgelehnt. Noch. Obwohl es hinterm Hauptbahnhof doch schon einen Präzedenzfall gibt, in dem hunderte Immobilien, die im Bebauungsplan am öden „Spandauer Schifffahrtskanal“ projektiert wurden, sich jetzt mit „Spree“-Adresse vermarkten dürfen – allein durch die schlichte Umbenennung der Wasserrinne. Der Ku’damm also, immer schon war er Spekulationsadresse, Vorbild war der Pariser Champs d’Elysées und am Anfang stand ein ziemlich cleverer Deal, den Bismarck eingefädelt hatte: Ein Deutsche-Bank-Konsortium finanzierte den Ausbau des Boulevards und bekam dafür die Lizenz zur Gründung der Villenkolonie Grunewald. Der Kurfürstendamm kannte eigentlich nur Hochkonjunktur, bis passierte, womit wohl niemand mehr gerechnet hatte: Mauerfall, Wiedervereinigung – und plötzlich wollte alle Welt -und also auch alles Geld- nach Ost-Berlin, das sich wieder Mitte nennen durfte.…

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Ohrenzeuge

von
GF_Theater9

GREETINGS AUS DEM KULTURLEBEN Manchmal morgens fragt mich meine liebe Frau: Und – wie war es gestern im Theater/in der Oper/im Konzert? Ich murmele dann etwas wie Ganz Nett und erzähle ein paar Gedanken, die ich im Programmheft gelesen habe. Ehrlicherweise müsste ich nämlich antworten: Woher soll ich das wissen? Das liegt an den Berliner Theatern, die wohl auf ihre Geschichte aus den glorreichen Zwanziger Jahren so stolz sind, daß es ihnen bis heute ziemlich egal zu sein scheint, wie’s ihrem Publikum geht. Und damit meine ich nicht die Inszenierungen, sondern die baulichen Sichtverhältnisse. Viele Parketts steigen kaum an, etliche haben keine versetzten Sitze und beides gefällt sich als Traditionspflege. Was zum Beispiel bei der Sanierung der Staatsoper Unter den Linden zu der absurden Situation führt, daß die Kuppel erhöht wurde, damit man besser hört (Stichwort: Nachhall) – die Parkettreihen aber nicht zugunsten Besser-Sehen steiler werden durften (Stichwort: Denkmalschutz). An manchen Theaterabenden denke ich: Vermutlich sehen nur die Schauspieler selbst, was…

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Was wir nie wieder sehen wollten

von
GF_Kachel2

GREETINGS VON DER KACHEL Von unseren unermüdlichen architektonischen Stilspaziergängen kommen wir heute leider mit einer traurigen Neuigkeit zurück. Was heisst Neuigkeit?! Vermutlich aus Langeweile holen Architekten gerade wieder eine Hausfassaden-Idee aus der Vergangenheit hoch, die den Rekord des ästhetischen Bau-Tiefpunkts des letzten Jahrhunderts hält – noch vor den Postmoderne-Verirrungen, und das will was heissen. Nie sahen Häuser abweisender und depressiver aus als in der Phase späte Sechziger bis frühe Achtziger-Jahre, als sowohl kleine Altbau-Häuser als auch protzige neue Walmdachbungalows komplett mit Kacheltapeten verkleidet wurden. Sie sind gestraft bis heute – ironischerweise gerade durch ihre 100 Prozent Schutzgarantie vor jedem kleinsten Schmutz oder Riss. Warum ausgerechnet dies‘ jetzt wiederbelebt wird – ich kann es mir nicht erklären. Im Zweifel für die Angeklagten, das muss auch in Stilfragen gelten, zugegeben. Bei einigen Bauten vor allem im sandig-gelblichen Farbton scheint es mir ein mißglückter Versuch zu sein, die grandiose Chipperfield-Ästhehtik ins Private zu übersetzen und sich dabei knapp in der…

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