GREETINGS VOM NEBENEINANDER Zum süsssauren Charme von Berlin gehört das aufregende Neben- oder auch Durcheinander von Dingen, welches, wenn man es wollte und plante, so nie hinkriegen würde. Ein fehlender grösserer Flughafen wird Jahr um Jahr nicht fertig, ein nicht ganz so dringendes Schloss, das seinen letzten gekrönten Bewohner 1918 verlor, liegt aber gut im Zeitplan. Mit Glück – oder muss es hier heissen: Pech? – wird es sogar eher wiedereröffnet, als man mit den Überlegungen fertig ist, was man damit genau anfangen will, an so prominenter Stelle. Bis noch in die 90er stand hier der DDR-Palast-der-Republik, der wegen Asbest erst saniert, dann aber doch abgerissen wurde, während das Westberliner ICC zwar ebenfalls wegen Asbest stillgelegt werden musste, jetzt aber als Zwischenstation für Flüchtlinge gut genug ist – auch weil man noch nicht weiss, was später mit ihm geschehen soll. Mit Pech – oder muss es hier heissen: Glück? – muss auch die im Herbst fällige Neuwahl der Stadtregierung (hier heisst sie Senat) verschoben werden, weil sowohl die Technik wie die Registrierung der Wahlberechtigten nicht funktioniert. Zynisch aber wahr: Geteilt in zwei halbe Berlins hat die Stadt nicht wesentlich schlechter funktioniert. Warum ich das alles aufzähle? Weil sich dieses Nebeneinander bis in die Ästhetik zieht. Weil man sich lange stritt, ob das Hohenzollern-Stadtschloss im Original-1918er-Look wiedererrichtet werden sollte oder ob an den Ort nicht etwas Moderneres gehöre, verfiel man auf das Nebeneinander: Drei Seiten Original, also neo-Alt, eine Seite neu im Post-Neo-Klassizismus mit einem Touch Mussolini. So können, je nach Gefühlslage, alle zufrieden sein oder unzufrieden.
Aus Berlin grüsst ROLF