OH WEI WEI
Es ist ziemlich einfach, sich im greetingsfrom-internen Miesepeter-Ranking nach oben zu arbeiten. Relativ sichere Bank: der Besuch einer Ausstellung, in die die Massen strömen. Aktuelles Beispiel: in den ehrwürdigen Martin Gropius Bau zu Berlin. Der zeigt die weltweit größte Ausstellung des aktuellen Werkes vom chinesischen Künstler Ai Wei Wei. „Evidence“ heißt die, zu deutsch Beweis. Und das trifft zu. Sie beweist eindrucksvoll, dass es keine so gute Idee ist, Kunst vorrangig in den Dienst der Politik zu stellen. Das war schon offensichtlich bei den gemalten Machenschaften des sozialistischen Realismus, und Ai Wei Wei bestätigt das erneut eindrucksvoll. Seine Themen – in der Hauptsache: ich. Also er. Er im Gefängnis, seine Zelle (ziemlich geräumig), seine Handschellen (hier: aus Jade), seine Überwachungskamera (aus Marmor), Schuldscheine für die Spender für seine Steuerschuld. Alles ist Kunst. Sogar seine Nichtanwesenheit bei der Eröffnung wegen Hausarrest – Kunst. In seinen Worten „spiegelt es eine menschliche Verfassung wider.“ Wenn er meint.
Man schiebt sich durch kunstbeflissene Massen in der Ausstellung, sieht kritische Anmerkungen hier und da, zum Beispiel die zwischen China und Japan umstrittenen Inseln – in Marmor. Und alte Vasen in Metallic-Autolack getaucht (das verunglimpft den Drang des Chinesen zum Automobil). Alles strotzt vor platter Symbolik. Immer wieder vorbei an dekorativ aufgestellten Hundertschaften von Holzhockern im Lichthof, ausnahmsweise keine Kritik, oder doch, am Abriss der alten Häuser, in denen die Hocker stehen. Und sie dann verschwinden, die Hocker. Verstehe ich nicht. Könnte man ja vorher rausnehmen. Und dann, man hat es fast geschafft, kommt ein Raum des endgültigen Rätsels. Eine Fotoserie (Auswahl), die berühmte Bauwerke zeigt, denen und der der ausgestreckte Mittelfinger entgegengestreckt wird. Fuck yourself, Sidney Opera House! Fuck yourself, Eiffelturm! Fuck yourself, Tate Modern! Ist ja klar, was das bedeuten soll. Nicht? Na, der herrschenden Klasse den Respekt verweigern.
Dazu fällt mir nichts mehr ein.
Jan
[…] erfolgreichsten Häusern für zeitgenössische Kunst. Nur kommen die Besucher eben nicht, wie bei Ai Weiwei, alle auf […]