GREETINGS VOM ORTSWECHSEL Treuen greetingsfrom-Empfängern bin ich noch ein paar Zeilen schuldig, wie man auf die Idee kommen kann, Hamburg tschüs zu sagen, um nach Potsdam zu ziehen. Die kürzeste Version: Mag Hamburg die schönste Stadt der Welt sein – Potsdam ist eindeutig die schönste Stadt Deutschlands. Wer schonmal hier war, braucht nicht weiterzulesen, für die anderen (was noch ziemlich viele sind) so kompakt wie möglich, warum die kleine 180.Tsd-Großstadt so besonders ist. Einiges steht in Kultur- und Reiseführern, viele Friedrichs und Wilhelms haben sich hier nahe Berlin (mit der Kutsche: vier Stunden) ihre Sommerschlösser bauen lassen und dabei hat jeder seine exotischen – meist französische, italienische oder englische – Träume verwirklicht und sich drumherum auch noch immer neue Naturparks zwischen die brandenburgischen Havelseen anlegen lassen. Und selbst Krieg und DDR haben davon das meiste stehen gelassen.
Das ist nämlich die zweite Besonderheit, und die steht so in keinem Reiseführer, denn sie ist nicht frei von Absurdität, Dialektik und auch Ungerechtigkeit. Je nachdem, wo man die letzten Jahrzehnte verbracht hat. (Ich bin in Potsdam geboren, und wären meine Eltern nicht im Alter von drei Jahren – also ICH war drei Jahre alt, nicht meine Eltern – in den Westen gegangen, „getürmt“ hiess das damals – wären sie also in Potsdam geblieben, hätte ich bei meinem Hang zu Pathos und Naivität mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit wie Egon Krenz noch als 40jähriger kurze Hosen und blaue Hemdchen getragen. Keine schöne Vorstellung.) Absurd, dialektisch und ungerecht ist, dass Potsdam heute gerade dadurch so attraktiv ist, weil es viele Jahrzehnte DDR ertragen hat. Das eine, das östliche Deutschland hatte kein Geld, um langsam zerfallende Häuser zu sanieren und zu modernisieren, nicht mal, um sie abzureissen und zu ersetzen. Das andere, dass westliche Deutschland brauchte einige Jahrzehnte, um zu lernen, dass Panorama-Schaufenster, Leuchtreklamen und vierspurige Durchgangsstrassen nicht nur positive Seiten haben. Zum Erhalt der Bausubstanz hätte die Mauer nicht mehr viel später fallen dürfen – früher aber auch nicht. Dieser Zufall macht Potsdam jetzt so attraktiv. Was ich, zugegeben, als altgewordener FDJ’ler wohl nicht so hätten sehen können.
Nachdenkliche Grüsse aus Potsdam sendet ROLF