Inspektionsreisen durch die Stilwelt

Kaffeehaus 1

greetings from Kaffeehaus

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Kaffeehaus 1

AUFGESPIESST UND EINGEKLEMMT

Es gibt Erfindungen und Entwicklungen, die sind gut so wie sie sind – wie ich vor nicht allzu langer Zeit in der mir unverständlicherweise weitgehend unbeachteten Traumsequenz „Die Unverbesserlichen“ in meiner Hauptberufs-Publikations-Plattform Architektur & Wohnen (5/2012) ausführlich dargestellt habe.

Aber es gibt auch andere. Solche, die von Beginn an eine Katastrophe sind – ich spreche jetzt nicht von Weltuntergangsszenarien wie Dieter Bohlen oder Dschungelcamp. Es geht heute um ein allen Moden und Jahrzehnten trotzendes Utensil gepflegter Cafés, Kaffeehäuser, Bistros: den Zeitungsbügel. Oder heisst es -klammer? Oder -halter? Es scheint ja schon mal was nicht zu stimmen, wenn so einem Ding keine eindeutige Bezeichnung zuzuordnen ist.

Man mag diesem Utensil  vielleicht zugute halten, immerhin die Zeitungen griffbereit an Garderobenhaken platzieren zu können, aber was sag ich – zugute halten? Was haben sie denn am Garderobenhaken zu suchen? Wo sollen denn Mäntel und Jacken dann hin? Drüber gehängt werden, auf dass man das merkwürdige Ding nicht mehr sieht? Vielleicht keine schlechte Idee.

Nimmt man es doch zur Hand, wird man sogleich feststellen, dass sich hier ein recht schelmischer Geist in sabotierender Absicht mit dem Zeitungslesen beschäftigt haben muss. Zum einen ist es dem Erfinder gelungen, etwas Unhandliches wie eine klassische Tageszeitung noch sperriger zu machen. Glückwunsch! Gleichzeitig gelingt es, durch brutales Aufspiessen, Einklemmen oder Quetschen der Zeitung in die Holzklemme die rechte Spalte der linken und die linke Spalte der rechten Seite unlesbar zu machen, weil in aller Regel die ersten (oder die letzten) drei bis fünf Buchstaben jeder Zeile dieser rabiaten Zwangsmassnahme zum Opfer fallen.

Und wenn man versucht, Seiten umzuschlagen und dabei nicht bedenkt, dass der Holzstil ein ganzes Stück über den oberen Zeitungsrand herausragt, ist die Chance gross, dass es zu unangenehmen Zusammenstössen mit umherstehenden Getränken oder fahrlässig nah sitzenden Tischnachbarn kommt. Vielleicht ist es ja speziell für jenen Wiener Grantler erfunden worden, der sowieso keinen Wert auf Tischgesellschaft legt.

Ich verkneife mir jetzt mal jegliche Bemerkung hinsichtlich einer Lösung des Problems infolge baldigen Nichtmehrvorhandenseins geeigneter Opfer zum Einklemmen. Zum Glück immerhin kann man Blogs nicht einklemmen.

Übrigens: Der Erfinder des Zeitungshalters hat es vorgezogen, anonym zu bleiben. Warum wohl?

Rein rhetorisch gefragt

Jan

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