Inspektionsreisen durch die Stilwelt

AppleSchiller

Der menschliche Faktor

von

AppleSchillerGREETINGS FROM XXL Wie dünn ist dünn und wie gross ist gross? Das mit den Zolls und den Inches habe ich sowieso nie verstanden, und vielleicht kann man es auch gar nicht verstehen, weil alles relativ ist. Unseren 40-Zoll-Fernseher zuhause empfinde ich als ein grandioses Beispiel meiner Bescheidenheit (vom Bild her sage ich: geht gerade noch; weniger wäre ein Radio), meiner Frau dagegen ist er, gender- und geschmacksbedingt, natürlich viel zu gross.

Umgekehrt ist das neue Samsung-gerundete-super-slim-iPhone 6 so dünn, daß ich es nur mit seinem Ledercase halten kann, ohne daß es mir durch die Finger rutscht. Die Krümmung des Leders schafft dabei nicht mal mehr die Dünnheit des Telephons und steht über. Was nicht nur desigmäßig ein wenig schizophren ist, weil man dadurch z.B. die virtuellen App-Symbole nur schwer über diese Hardware-Kante schieben kann – das iPhone ist inzwischen zu less für das more an notwendiger Ledersteifigkeit. Soweit meine persönliche case-study (- kleiner Indsiderscherz für unsere sehr anspruchsvollen Designjournalistenleser).

Alles hat seine Zeit und sein Optimum; die Technik zeigt es uns, immer wieder. In meiner Kindheit hatte ein amerikanischer Fernsehdetektiv eine ausklappbare Schmalfimkamera im Armaturenbrett, cooler ging es nicht. Filme der 80er und 90er Jahre lassen sich heute in der Rückschau fast auf die Woche genau terminieren, nicht nur von den Schulterpolstern und Frisuren, sondern vor allem von der Technik her. Haben die Polizisten oder die Journalisten oder die Geheimagenten Schreibmaschinen, Festnetztelefone und allenfalls irgendwo ein Rechenzentrum mit grossen Bandspulen? Uralt, 70er! Desktops? Mitte Achtziger. Dicke Handies: Ende Achtziger. Dicke Laptops, aber dünnere Handies: Anfang Neunziger. Eckige Flachbildschirme: Mitte Neunziger. Die ganzen Nuller-Jahre lang verläuft dann die Film-, Medien- und Stylegeschichte parallel zu Apples Innovationszyklus und in Zukunft erkennt man den Jahrgang der Spielfilme vermutlich an den kleineren, smarteren und irgendwann elektrischen Autos…

Gestern Abend bei Apples Produktshow habe ich mich aber nochmal doppelt gefreut, wer weiss wie lange man das noch sagen kann. Einerseits gab’s nix grosses Neues (der Apple-Aktien-Kurs soll ja deshalb sofort schon wieder gefallen sein), aber genau das empfand ich, anders als früher, als gar nicht so schlecht, ziemlich erwachsen. Sieht man’s nämlich mal nicht so neu-gierig und kurzsichtig, dann hat Apple einfach unsere Medien-Arbeitsgeräte doch ziemlich gekonnt gestylt. Das ist sozusagen die Lebensleistung von Apple und vielleicht wichtiger als ständige Neuigkeiten-Gimmicks. Mögen Medienimperien und Berufsbilder im Hintergrund zerbrochen sein – zumindest optisch war es, ohne jede Ironie, ein Gewinn. Kann man ja z.B von den Autos der letzten Jahrzehnte nicht sagen.

Meine zweite Freude aber war, wie schon seit längerem bei den Apple-Präsentationen dessen Vizepräsident Phil Schiller. Er ist nicht nur einer der wenigen, die nicht wie fast alle anderen bei Apple den toten Steve Jobs zu kopieren versuchen, er scheint auch der einzige, der sich dem nicht nur dort vorherrschenden sektenmäßigen Slim-Diktat widersetzt. Body-indexmäßig und in Zentimetern schätze ich ihn mal auf Männer-altmodische 90-110-90. Sehr sympathisch, sowas sieht man auf keinem anderen Business-Event mehr; unter (oder heisst es hier: über) 3-fachem Iron-Man darf ja kein Manager mehr auf irgendeine Bühne oder auf ein Pressebild. Obwohl: ein wenig hat sich wohl auch Phil Schiller anstecken lassen. Früher war er noch runder, erst recht im Kontrast zu Steve Jobs… Was muss er für ein Riesentalent sein, daß er in dieser XXX-S-Zero-Welt überleben durfte.

AppleJobs_Schiller

Übergrosse Grüsse von ROLF

 

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