DIE BESTEN GESCHICHTEN
greetings from was? Wo soll das denn sein, werden jetzt Tausende unserer Leser fragen. Das beantworte ich später. Denn erstmal soll es in diesem besinnlichen Oster-Beitrag darum gehen, was man im Internet findet und was nicht. Nicht findet man meistens die besten Geschichten.
Wie ich jetzt darauf komme? Also am Ostersonntag sitze ich mit Mit-Blogger Rolf samt Gattin Jeanette und Hund Mecke beim österlichen Angrillen. Das Wetter nicht ganz so toll wie vorhergesagt, egal. Trotzdem: Die Zeit war reif für Fleisch vom offenen Feuer. Kein Osterlamm, wie das die aus dem Süden zugereisten Berliner traditionell im schicken Monbijou-Park ganzsommerlich qualmend zelebrieren, was ihnen jetzt amtlich untersagt werden soll, weil es den Anwohnern, die ein bemerkenswertes Pro-Kopf-Einkommen von 6000 Euro monatlich haben, irgendwie stinkt.
Aber auch die brutzelnden Würstchen auf unserem kleinen Feuer waren archaisch genug, uns zu ispirieren, über die großen Fragen des Lebens zu philosophieren, über den möglichen Sinn und solche Sachen, ob früher alles besser war – und schon ist man auch beim Internet. Ok, das ist natürlich besser als früher, weil es das früher noch gar nicht gab. Trotzdem. Man surft und surft dort drin herum, aber meistens auf ziemlich seichten Wellen.
Und schon bin ich wieder beim Ausgangspunkt. Was man dabei nämlich zuverlässig nicht entdeckt, weil nicht frei zugänglich, sind journalistische Highlights wie die wundervolle Reportage von Christian Zaschke auf der Seite Drei der Süddeutschen Zeitung vom Samstag, 19.4.14. Die handelt von dem nicht unbedingt besuchenswerten nordostenglischen Küstenort Hartlepool. Es ist eine Provinz- und Politikposse, die Geschichte vom ersten, letzten und einzigen Bürgermeister der Stadt, sehr sehr lesenswert (leider nicht verlinkbar, vielleicht erbarmt sich ja Herr Google eines Tages und veröffentlicht die Geschichte doch).
Hartlepool ist wenn überhaupt bekannt durch eine Episode mit einem Affen, eine kleine Anekdote, eine Farce, die natürlich auch in der Reportage vorkommt und die ich jetzt auf diesem Wege unbedingt weitergeben muss. Die geht so: Zu Zeiten Napoleons zerschellt vor der Küste Hartlepool ein französisches Kriegsschiff. Einziger Überlebener, der mit dem Treibgut angeschwemmt wird, ein Affe in französischer Uniform, das Maskottchen des Schiffes. Die Hartlepooler hassen Franzosen, obwohl sie noch nie einen gesehen haben, geschweige denn einen Affen. Weil sich der Fremdling in der Befragung nach seiner Herkunft extrem unkooperativ zeigt, aufgrund seiner geringen Körpergröße, seines Geruchs und den komischen Lauten, die er von sich gibt, von den Hartlepoolern zweifelsfrei als Franzose identifiziert wird, beschließen die Honoratioren des Ortes, ihm als napoleonischen Spion den Prozess zu machen. Und ihn zu hängen. Die Hellsten waren die Hartlepooler offensichtlich nicht.
Natürlich ist das eine Parabel über blinden Fremdenhass und wie lächerlich der ist. Andererseits ist ja immer auf eine gehörige Portion Schrulligkeit bei den Bewohnern der großen Insel Verlass. Weshalb ich bereit bin, die amüsante, wenn auch am Ende traurige Posse „Der Affe von Hartlepool“, ohne Abstriche als wahr zu glauben. Das kriegen nur Engländer hin.
In tiefster Affenliebe grüßt
Jan
Lieber Bloggerfreund, darf ich auf eine kleine Unlogik in Deiner Storytelling- & England-Begeisterung hinweisen? Du schreibst: Leider nicht verlinkbar, hoffentlich erbarmt sich Google und veröffentlicht diese Geschichte… Warum soll man sich das wünschen? Es gäbe diese Geschichte doch gar nicht, gäbe es nicht die SZ, ihre Käufer und Abonnenten…. Ist es umgekehrt nicht ein phantastisches Modell, dass ein paar hundert intelligente Leute dafür und davon leben können, solche Geschichten zu finden und zu filtern? Dass meine ich jetzt nicht nur nostalgisch-kulturkritisch, sondern auch ganz egoistisch und pragmatisch: eine Stunde Zeitungslektüre und ich fühle mich reicher und klüger. Eine Stunde Google und ich weiss 100 mal mehr, habe aber das Gefühl, das vielleicht Noch-Wichtigere nicht gefunden zu haben…
Stimmt. ich hätte es gern unserer SZ-losen Leserschar nur auch gern zugänglich gemacht.