GREETINGS VOM KALTEN KRIEG Melde mich nochmal vom Berliner Breitscheidplatz (den eigentlich keiner so nennt) zwischen Gedächtniskirche und Europacenter: hier war seit den 60ern das Zentralschaufenster Westberlins. Kein Tourist der hier nicht vorbeikam, hier fuhren die Linienbusse zum Tempelhofer Flughafen und hier stand lange, auch noch als die Mauer schon wieder offen war und alle nach Mitte wollten, ein sehr skurriler Werbeschaukasten. Ein ziemlich fertig aussehender Harald Juhnke versucht, mit Stäbchen irgendwie eine Ente zu essen und so Gäste in ein Chinarestaurant im Bikini-Haus hereinzuwerben. Das gehörte dem Vater seiner halbchinesichen Frau, die er dort kennengelernt hatte. Alles vorbei, echter oder halbechter Glanz von gestern – ähnlich wie das gegenüberliegender Europacenter, mit Billigläden und Kartoffelrestaurants heute der provinziellste Ort der Welt. Warum ich jetzt davon erzähle? Weil in allem Ganz-Berlin-Wird-Metropole Hype sich jetzt die alten bürgerlichen Nachkriegs-Westsektoren darauf besinnen, daß sie ja auch mal ein ganz eigenes Lebensgefühl hatten, irgendwo zwischen subventioniertem Wirtschaftswunder-Stolz und eingemauertem Uns-Kann-Keener-Trotz. Das Stadtmuseum Berlin ruft jetzt ausdrücklich die Westberliner auf, Erinnerungs-Fotos für eine für Herbst geplante Ausstellung zum Thema einzusenden.
Die Stimmung dieser Zeit lässt sich auch sehr amüsant in einem lakonischen Erinnerungsbuch von Ulrike Sterblich nachlesen: „Die halbe Stadt, die es nicht mehr gibt“. Spannend, aber auch düster wird es, wenn man noch weiter zurückgeht und sich alte Aufnahmen der „Insulaner“ anhört – eine legendäre Kabarettgruppe, die über RIAS-Sendungen den Gesamtberliner Durchhaltewillen stärken sollte. Da spürt man noch heute: Der Kalte Krieg war ganz schön real. Da konnte dann Harald Juhnke leicht glänzen.