Inspektionsreisen durch die Stilwelt

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Words - page 13

Darf’s ein bisschen weniger sein?

von
TemmaA

GREETINGS VOM ÖKO-CHIC Alles Coole ist schon da. Dunkle Decke, sichtbare Lüftungsrohre, Industrielampen, raue Eisen-Regale. Und zu kaufen gibts nur Voll-Korrektes, z.B. Obst und Gemüse, das „per Schiff oder über Land“ gekommen ist, also nicht per Flugzeug. Alle Coolen sind aber noch nicht nicht da. Ich sitz‘ ziemlich allein vor meinem Kaffee auf einem Barhocker am gekalkten Deli-Holztisch, gucke gleichzeitig in die Vergangenheit und in die Zukunft, umgeben von Weniger-ist-Mehr-Luxus, wie Temma ihn sich vorstellt. Temma? Am Namen merkt man schon, dass es manchmal ganz schön angestrengt sein kann, lässig zu wirken. Temma heisst eine neue Supermarktkette von Rewe, die jüngere und smartere Kundschaft ansprechen will, aber dafür ein Kunstwort wählt, das nur noch versteht, wer mindestens 60 ist. Was „Tante-Emma“-Läden mal waren, wissen nur noch Oldies aus der Zeit, als es sowieso nur zu kaufen gab, was über Land gekommen war (außer per Dampfer lange herangeholte Südfrüchte vielleicht). In der neuen…

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Mein Lieblings-Chefredakteur

von
BillNighy 1

GREETINGS FROM ROBIN HOOD Im Laufe eines Journalistenlebens hat man ja mit vielen Chefredakteuren zu tun. Mein Lieblings-Chefredakteur war Bill Nighy in der BBC-/Arte-Serie „State of Play“. Der Zeitungsboss ist darin eine, wie man heute so gern sagt, coole Sau, die, wenns schwierig wird, auf der richtigen Seite (also z.B. auch mal an der Seite des Mitarbeiters) steht. In  anderem Zusammenhang tut er das auch in diesem gemeinnützigen Videospot, der für die Transaktionssteuer wirbt, also jenem politisch schon lange angekündigten, aber immer noch nicht realisierten Versuch, die Folgen der Finanzkrise wenigstens ein Stück mit Beiträgen aus dem Finanzsektor selbst zu reparieren. Hier spielt Nighy mal den Bad Guy, einen Banker, der durch seine Ignoranz – auch in der Realität will der Finanzplatz London nämlich keinerlei Auflagen und Abgaben – am Ende aber die Befürworter einer Transaktionssteuer argumentativ gewinnen lässt. Smarte Idee, sowas über einen ironischen Spot zu propagieren (in dem übrigens…

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Frankfurter Wohnschule

von
AdornoNeu

GREETINGS FROM ADORNO Gibt es richtiges Leben im falschen? Eine Frage, die sich früher nur Philsophiestudenten stellten, heute aber natürlich jeder, der bewusst wohnen will. Machen High-Class Designerobjekte schlechte Architektur sympathischer? Oder fühlt man sich doch wohler in Durchschnittsmöbeln inmitten der Luxus-Immobilie, für die man sich bis ans Lebensende überschulden muss? Längst Standardfragen der aktuellen Lebenskunst. Eine tiefere Frage aber blieb lange unbeantwortet: Wie wohnte eigentlich Philosoph Adorno selbst, der Schöpfer unserer grüblerisch-intellektuellen Eingangsfrage, den viele als Vater der Studentenbewegung verehren? Dank des Möbelversenders „Fashion for Home“  (sein jüngster Katalog fiel mir gerade aus der ELLE Hamburg entgegen) ist dieses Rätsel jetzt gelöst: Adorno lebte überraschend sympathisch landhäusig, irgendwo zwischen Weimars Goethe-Ambiente und einem Hauch gustavianischer, weissgetünchter Leichtigkeit. Was beweist: eine heitere Möblierung muss uns nicht von tiefgründigen Fragen abhalten. Oder positiv & umgekehrt: Von anstrengenden Diskursen erholt sich der wahre Philosoph in unbeschwerten Versandhausmöbeln mit Rückgaberecht. Sowas hätte sich nicht…

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„Isch bin ein Kölner“

von
KennedyKöln

GREETINGS FROM KENNEDY Kollektives Erinnerungsversagen? Oder Riesenfälschung? Auf jeden Fall hier ein Versprechen: Am Ende dieser Zeilen werden Sie etwas wissen, von dem Sie gar nicht wussten, dass Sie es nicht wussten. Mir ging es jedenfalls so, dank eines Zufallsfundes im Fernsehnachtprogram. Muss die Geschichte der Bundesrepublik umgeschrieben werden? Viel kleiner kann man nicht fragen, denn es geht um Weltpolitik: Kennedys legendäres „Ich bin ein Berliner“, jener charmanter und doch hochpolitischer Einzeiler, war nach neuesten Erkenntnissen (zumindest meinen) nämlich gar nicht so unique, wie alle glaubten. Der Satz hatte einen banalen, beinah absurden Vorläufer. Absolute Ruhe bitte und Konzentration, wir schalten um nach Köln, vor das damalige Rathaus: Kann man nicht glauben, oder? Kennedy steht in Köln und ruft den Kölnern zu: „Kölle Alaaf“! Karneval mitten im Sommer, an einem Sonntagnachmittag 1963, dem ersten Tag seines 4tägigen Deutschlandbesuchs. Guckt man tiefer in die Archive, entdeckt man: manches war in Köln ähnlich wie zum…

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Geldverdienen von A-Z

von
Telefonbuch

GREETINGS ANS ALTPAPIER Liebe junge Leser, wer heute unter 20 Jahre alt ist, kann nicht mehr wissen, daß es in Deutschland dicke gelbe Bücher gegeben hat (nein, nicht vom ADAC, aber so ähnlich), in die musste man hineinschauen, wenn man irgendwen anrufen wollte, egal ob einen Handwerker oder den Pfarrer oder den Balkan-Grill. (Danach steckte man den Finger in eine löchrige Scheibe an einer Kiste, die mit der Wand verbunden war – aber das ist eine andere Geschichte aus dem Museum der verschwundenen Dinge.) Die Leute jedenfalls, die die Erlaubnis hatten, diese dicken gelben Bücher zu drucken, und sie „Telefonbuch“ oder „Gelbe Seiten“ nannten, sind damit über Jahrzehnte schwerreich geworden und wohnen längst auf Mallorca oder in Florida oder noch weiter. Sie nannten sich Verleger, das tun heute noch einige, aber egal ob Verleger damals oder heute: jeder von ihnen wollte und will so sein wie die, die die gelben Bücher machten,…

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