Inspektionsreisen durch die Stilwelt

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greetings from Stuttgart

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HÄUSLEBAUER

Es gibt in Südwesten Deutschlands eine Ansammlung von unfassbar misslungenen, zeitlos-geschmacklosen Profanbauten, die man gemeinhin zusammenfasst unter dem Sammelbegriff „Stuttgart“. Das firmiert gleichzeitig auch als baden-württembergische Landeshauptstadt und macht sich im Reigen der verpatzten deutschen Großbauprojekte mit Protesten um den neuen Bahnhof wichtig – unter dem Schlachtruf „Stuttgart 21“, bei dem darum gestritten wird, ob lieber ein altmodischer unpraktischer, abweisender Bahnhof erhalten bleibt oder lieber eine vielleicht nicht besonders rentable (für den Steuerzahler) dafür sehr lukrative (für Investoren) Neuplanung mit Durchfahrtsmöglichkeit geschaffen wird. Ich will mich da mal raushalten. Aber zu begrüßen wäre es gewesen, wenn die Abrissbagger in einem deutlich großzügigeren Radius um den Bahnhof herum ihre Arbeit erledigt hätten.

Diese furchtbar trostlosen Zweckbauten stören den gemeinen Schwaben aber nicht. Zornig werden sie aber, wenn so ein Fremder, ein Koreaner aus dem Rheinland, der Architekt Eun Young Yi, eine neue Stadtbibliothek auf dem Areal A1 von Stuttgart 21 baut, die auch ein paar Jahre nach ihrer Fertigstellung noch von der Bevölkerung und stellvertretend von den nebenher als Stadtführer aktiven Taxifahrern als „Knast“ oder Schlimmeres bezeichnet wird. Ein weißer Würfel mit gleichmäßig in Planquadraten verteilten rechteckigen Fensteröffnungen, die aber nur auf der einen Hälfte tatsächlich Fenster haben, die andere Seite ist blind. Ich dachte beim ersten Vorbeifahren, sie seien nur aufgemalt. Das hätte ich noch origineller gefunden.

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Drinnen waren die taxifahrenden Stadtführer natürlich noch nicht. Ein Fehler. Denn dort empfängt einen eine viergeschossige Halle mit einem quadratischen Oberlicht und gähnender Lehre. Ein Ort der Kontemplation. Sehr imposant. Drum herum, von den umlaufenden Aufhängen abgehend, die ersten Abteilungen Literatur. Die vier Stockwerke darüber sind aber erst richtig spektakulär. Dort wurde das Konzept umgekehrt und die gesamte obere Hälfte des Würfels ist ein offenes Bücherregal, vor dem Treppen kreuz und quer die Etagen verbinden. Wohl gemerkt: Wir reden von einer Stadtbibliothek, einer profanen Bücherausleihe fürs Volk. Also da kann ich nur raten: Lesen Leute! Auch wenn es die meisten Werke wahrscheinlich nicht in schwäbisch gibt.

Viele Grüß-le Jan

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