Inspektionsreisen durch die Stilwelt

Category archive

Words - page 4

Is mir egal

von
Attachment-1

GREETINGS FROM BERLINER WAHLKAMPF Glück gehabt, ich bin kein Berliner. Ich muss nicht Ende September wählen, 600 Meter Fußweg zur Glienicker Brücke und damit zur Hauptstadtgrenze ersparen mir eine grosse Verlegenheit. Es ist nämlich so: Als Demokrat muss man natürlich wählen, aber die Berliner haben es in den letzten Jahren tatsächlich geschafft, daß mit keinem möglichen Wahlergebnis eine Verbesserung der mediokren Regierungs- und Verwaltungspraxis zu erwarten ist. Das muss man in einer Stadt, die grosse Bürgermeister wie Ernst Reuter, Willy Brandt und als Import Richard von Weizsäcker hatte, erstmal hinkriegen . Wenns nicht so zynisch und in unübersichtlichen Zeiten auch gefährlich wäre, kann man sagen: Die Stadt bekommt die Regierung, die sie verdient. Klingt übertrieben? Nicht, wenn man sieht, mit welchem Maso-Sarkasmus sich sogar die landeseigene Verkehrsgesellschaft an die gefühlte Stadtstimmung anschleimt: Is mir egal! Angucken lohnt, für Außenstehende gibts kaum eine kompaktere  Einführung ins Neu-Berlinerische, aber so komisch, wie er tut, ist der Werbeclip nicht: Wie soll…

Keep Reading

Designer: Stärker als der Tod

von
GF_DesignerEsslinger

GREETINGS FROM DENKMALPFLEGE Interviews mit Designern sind tricky. Entweder erzählen sie zu viel oder zu wenig; die einen schweigen, um sich interessanter zu machen, die anderen reden unstopable über alles mögliche, und das um so lieber, je weiter es von ihrer Alltagsarbeit wegführt. Philippe Starck etwa hat die gesamten 90er und auch noch die Nullerjahre damit verbracht, seine Design-Neuversionen des Immergleichen mit einem einzigen Gedanken zu begleiten: Er sei dafür, dass nicht mehr soviel konsumiert wird. Weil davon inzwischen die Archive überquellen, musste er jetzt für das SZ-Magazin nochmal etwas Koketterie und Exhibitionismus nachlegen: Ich bin autistisch veranlagt. Ich empfinde meine Kreativität als eine Art Krankheit.Ich weiss nicht wohin ich gehöre. Mein Gehirn macht die ganze Zeit Schroonk, Schroonk… Sowas versaut die Maßstäbe. Piero Lissoni etwa, bisher in Interviews eher charmant-cool, versucht im österreichischen Standard rhetorisch aufzuholen: Ich bin ein fauler Mensch. Ich habe beschlossen, den Komfort hintanzustellen und nur noch unbequeme Möbel zu entwerfen. Sobald…

Keep Reading

Zum blinden Zebra

von
image

GREETINGS VON DER KUNSTFÖRDERUNG Außerhalb Hannovers bin ich ja mittlerweile dafür bekannt, dass ich wohl der einzige ausserhalb Hannovers bin, der lobende Worte für dieses chronisch unterbewertete Landeshauptstädtchen findet. Vor allem hier bei greetingsfrom.de, also will ich also meinem Ruf gerecht werden. Neulich war ich mal wieder an einem leidlich sonnigen Samstag dort, schlenderte durch die belebte Innenstadt und stellte fest, wie gelungen die Dimensionen dort sind, sprich die leicht überbrückbaren Entfernungen. Hier lässt sich ein Einkaufsbummel mit einem kleinen Mittags-Weißwein in der Markthalle und höherer Kultur verbinden. Wobei man sogar direkt vom Weißwein im Radius von zehn Gehminuten zwischen dem sehr renommierten Sprengel-Museum mit neuem spektakulären (und deshalb von den Einheimischen erstmal skeptisch aufgenommenen) pechschwarzen Anbau und der Kestner Gesellschaft wählen kann, die in die Räumlichkeiten eines ehemaligen Jugendstilbades direkt neben dem berühmten Anzeiger Hochhaus eingezogen ist. Ich wählte Letzteres. Die Ausstellungsräume sind wirklich sehr sehenswert, die aktuelle Ausstellung (mit…

Keep Reading

Kreativ zur Kohle

von
image

GREETINGS FROM STRASSENRAND In meiner Jugend habe ich mal, ich glaube, es war im legendären „Playboy-Berater“, natürlich der Hauptgrund, warum ich mir hin und wieder diese Zeitschrift zugelegt habe, die Lebensweisheit aufgeschnappt: „Trinkgeld gebe man entweder zum Bestechen oder zum Belohnen“. Das klang mir einleuchtend, ich habe mich aber dann doch nicht dran gehalten und gebe es eigentlich immer, auch wenn manchmal ganz und gar ungerechtfertigt. Ich meine, im gleichen Kontext wurde damals auch postuliert, Bettlern nur dann etwas zu geben, wenn sie dafür etwas anbieten, etwas aufführen zum Beispiel. Auch das fand ich eigentlich nachvollziehbar, halte mich aber ebensowenig dran und gebe mal ‚was und mal nix, ohne ersichtliches Konzept. Seit einiger Zeit bemerke ich aber einen Trend im Bettlerwesen, der mich zum Schmunzeln bringt und deshalb von mir gern monetär belohnt wird. Neulich sah ich in Hannover eine Art kleiner Installation, die mir hinsichtlich Originalität und Ehrlichkeit (und Bedienen…

Keep Reading

Darfs ein bisschen mehr sein?

von
GF_FrauFreundlich

GREETINGS ANS FINANZAMT  Die Restaurantquittung im Bild oben ist beinahe schon ein Sammlerstück. Weniger wegen der Kombination „Bedienung“ und „Freundlich“, die unsere Bildungs-Leser natürlich sofort als rhetorische Figur aus der Celan’schen Schwarze-Milch-Tradition erkennen: Klingt toll, gibts aber in der Realität eher nicht so oft. Aber das Neue ist: Eine Quittung gibts eben auch nicht mehr so oft. Wenn ich bezahlen möchte, höre ich vom Kellner jetzt immer öfter die kryptisch-hypnotischen Laute „zusamodereinzeln unbrauchnsieinerechnung?“. Um mich nicht als kleingeistig zu outen, sage ich dann eingeschüchtert meist Nein, nein… Manchmal bekomme ich dann für Millisekunden noch soetwas wie eine Aufstellung der Speisen und Getränke vor die Nase gehalten, auf Papier oder auf einem kleinen handygrossen Tablet. Immer öfter stösst der Kellner aber auch nur noch eine Ziffer hervor. Die, wenn man nicht wie beim Skatspielen von Anfang an bei jedem Posten im Geiste mitgezählt hat, gerne um zehn bis zwanzig Prozent über dem liegt, was man so ungefähr erwartet hat. Dazu gibts einen…

Keep Reading

1 2 3 4 5 6 14
Go to Top